Drei kleine Fragen
- Giuseppe Vazzano
- 8. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Juli
Eine Espresso Geschichte. Aus dem Café La Nostra Vita
Lina sitzt auf der Fensterbank.
Der Espresso warm in ihrer Hand.
Draußen flirrt die Straße, es riecht nach Sommer, nach Zitrone, nach irgendwas, das gleich passieren könnte.
Das Notizbuch liegt aufgeschlagen auf ihrem Schoß.
Sie hat die Beine angezogen, die Stirn leicht in Falten.
Nicht grübelnd.

Eher wie jemand, der den letzten Ton eines Liedes nachhören will.
So ein Lied, das du nicht kennst – aber irgendwie schon.
Ich wische ein Glas hinterm Tresen, schaue nicht hin.
Nur manchmal, kurz.
Sie weiß das.
Wir sprechen selten viel.
Heute sagt sie:
„Darf ich dich was fragen?“
Ich nicke.
Sie zeigt auf ihr Buch.
Drei Sätze stehen da.
Drei Fragen, nebeneinander.
Gleiche Worte. Andere Betonung.
Sie liest laut:
WILL ich das?
> Oder habe ich nur gelernt, es zu wollen?
Weil man das halt so macht.
Weil es läuft.
Weil ich sonst niemanden enttäusche.
Will ICH das?
> Oder will jemand in mir gefallen?
Anerkannt sein. Geliebt sein. Funktionieren.
Ist das noch meins? Oder nur noch ein gut gespieltes Ich?
Will ich DAS?
> Genau das?
Diese Form, dieser Weg, diese Rolle?
Oder will ich heimlich längst was anderes –
aber hab es mir noch nicht erlaubt?
Sie schaut mich nicht an.
Nur raus.
Als wäre draußen ein anderes Leben,
das gerade kurz innehält.
Dann sagt sie:
„Wenn auch nur eine dieser Fragen ein Nein ist…“
Ich stelle das Glas ab.
Und schiebe ihr einen Zettel hin.
Nur ein Satz:
„Dann ist das kein Fehler.
Dann ist das ein Aufwachen.“
Sie lächelt nicht.
Aber sie lehnt sich zurück.
Trinkt den letzten Schluck.
Und schlägt das Notizbuch zu.
Kein Ergebnis.
Nur drei kleine Fragen.
Und ein bisschen mehr Luft im Herzen.
Wenn du willst, ist das der Beginn von etwas.
Wenn nicht, war es einfach ein guter Espresso.
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