Leben ohne Geschmack
- Giuseppe Vazzano
- 11. Aug.
- 1 Min. Lesezeit
18:23. Supermarktkasse.
Neonlicht summt.
Scanner piept.
Förderband frisst Dinge.
Vor mir eine Frau mit Korb.
Paprika. Nudeln. Waschmittel. Familienjoghurt.
Tomaten, die aussehen wie Deko.
Ein Coffee-to-go im Becherhalter. Pappe an Pappe.
Sie trinkt. Setzt ab. Keine Regung.
„Sammelpunkte?“
„Ja, bitte.“ Automatisch. Stimme wie Fahrstuhlmusik.

Ein Kind zupft am Ärmel. Klebrige Finger.
„Gleich, Schatz.“ Lächeln, das nicht ankommt.
Probierstand. Traube.
Kaut. Schluckt.
Nichts.
Karte klemmt beim ersten Mal.
„Sorry.“ Zweites Mal. Piept. Es geht.
Sie packt leise.
Schwere Sachen nach unten. Brot nach oben.
Ordnung, die niemand sieht.
Coffee-to-go kippt fast.
Fängt ihn mit dem Handgelenk.
Routine in Muskeln.
„Brauchen Sie eine Tüte?“
„Nein, passt.“
Tut’s nicht. Passt schon.
Sie hebt den Korb.
Schulter zuckt – diese kleine Bewegung, wenn ein Körper verrät, dass er zu lange stark war.
Draußen ein Mann, der nicht raucht.
Autos hupen. Jemand lacht zu laut.
Sie bleibt kurz unter dem Vordach stehen.
Trinkt wieder.
Schaut in die Luft, als könnte da irgendwo Geschmack drin sein.
Sie kaut nicht auf einer Traube.
Sie kaut auf einem Jahr.
Sie kaut auf einem Leben.
Keine Träne.
Nur das:
Sie schmeckt nichts.
Und tut so, als wäre das normal.
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