Und keiner fragt, ob du noch willst
- Giuseppe Vazzano
- 8. Juli
- 1 Min. Lesezeit
Hotelbar. Montag. Kurz vor elf.
Ich, sitze da. Still.
Zwei Plätze weiter: der Mann, den du niemals um Hilfe bitten würdest.
Weil er aussieht, als hätte er alles im Griff. Aber ich seh’s – er hat nur sich selbst verloren.
Er sitzt da wie eine Festplatte.
Zu voll. Zu heiß.
Kurz vorm Absturz,
aber keiner merkt’s,
weil der Bildschirm noch leuchtet.

Er trägt ein weißes Hemd.
Zu glatt. Zu sauber.
Zu viel Abstand zwischen Stoff und Haut.
Neben ihm: ein Bier.
So zum runterkommen.
Nicht das erste.
Wahrscheinlich auch nicht das letzte.
Aber das erste, das ihm leise die Wahrheit ins Gesicht flüstert.
Sein Blick ist nicht müde.
Er ist erschöpft von Müdigkeit.
Du weißt, was ich meine?
Diese Art von Erschöpfung,
die nicht weggeht,
selbst wenn du schläfst.
Weil es nicht der Körper ist,
sondern das Leben, das dich müde macht.
Er checkt sein Handy.
Nichts.
Nicht mal Spam.
Er lacht leise.
So ein Manager-Lachen.
Abgewöhnt. Trainiert.
Wie Smalltalk auf Zwang.
Und dann lehnt er sich zurück.
Schaut in die Bar,
als würde er was suchen.
Aber da ist nur Glas.
Und andere Männer,
die genauso verloren sind
und trotzdem am nächsten Morgen wieder pünktlich dastehen werden.
Ich seh ihn an.
Er sieht mich nicht.
Aber ich seh’s trotzdem:
Er ist allein.
Nicht Single.
Nicht verlassen.
Einfach: allein.
Mitten unter Menschen.
Mitten in seinem Leben.
Und keiner fragt, ob du noch willst.
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