Der Mann der sein Lächeln vergaß
- Giuseppe Vazzano
- 3. Mai
- 2 Min. Lesezeit
La Nostra Vita.
Später Nachmittag.
Die Sonne macht Siesta an der Wand.
Ein Junge kommt hereingeschossen wie ein frischer Windzug aus einem anderen Leben.
Kariertes Hemd, offene Schnürsenkel, Herz weit offen.
Hinter ihm ein Mann, der mal jung gewesen sein muss.
Jetzt trägt er Müdigkeit im Nacken und zu viele Sätze, die nie ausgesprochen wurden.

Der Junge bleibt abrupt stehen. Schnuppert.
„Papa! Hier riecht’s nach warm! Und nach Italien!“
Er sieht mich, grinst wie nur einer grinsen kann,
der noch nicht gelernt hat, sich zurückzuhalten.
„Wenn ich groß bin“, sagt er mit dieser ungefilterten Stimme, „will ich Barista werden!“
Sein Vater setzt sich seufzend hin.
Diese Art von Seufzen, bei der man nicht weiß, ob die Luft raus will oder das Leben.
„Lern lieber was Anständiges“, sagt er.
Nicht hart. Nur… leer.
Als wäre das ein Satz, den man gesagt bekommt,
wenn man selbst vergessen hat zu träumen.
Ich stelle einen Espresso hin. Für den Vater.
Und einen kleinen Kakao mit Milchschaum für den Sohn. Ein Schaumherz, etwas Zimt.
Er strahlt, als hätte ich ihm die Sonne serviert.
Der Vater schaut kurz hoch.
Und dann passiert’s.
Ein winziger Moment von Irritation.
Oder war’s Erinnerung?
Ich frage nicht. Ich beobachte.
Wie der Kleine trinkt, zuckt, lacht:
„Boah, das kitzelt auf der Zunge!“
„Ja“, sag ich leise, „manche Dinge müssen kitzeln,
damit du nicht vergisst, dass du lebst.“
Der Junge schaut seinen Vater an,
als wollte er sagen: Papa, ich hab dein Lächeln gefunden. Der Vater schaut wieder weg.
Aber nicht mehr ganz so genervt.
Vielleicht hat ihn was berührt. Vielleicht auch nicht.
Ich wische die Theke ab und denk mir:
Manche Männer haben ihr Lächeln so früh vergraben, dass sie glauben, es war nie da.
Aber Kinder… Kinder graben es manchmal wieder aus.
Mit einem Satz.
Mit einem Traum.
Mit einem Kakao mit Zimt.
Und manchmal reicht das für ein ganzes Leben.
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