35 Grad. Espresso doppio. Eiskalt serviert.
- Giuseppe Vazzano
- 15. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Eine Espresso Geschichte. Aus dem Café La Nostra Vita
Der Ventilator ist kaputt.
Oder einfach beleidigt.
Er bewegt sich, aber hilft nicht.
Wie so viele, wenn’s drauf ankommt.
Ich stehe hinter der Bar, das Hemd nass,
die Finger klebrig vom Leben,
und draußen schmilzt die Stadt wie ein überreifer Pfirsich.
Dann kommt er rein.
Adriano.
Leinhemd offen, Haut wie gebranntes Karamell,
die Haare wild, als hätte der Mistral persönlich sie geordnet.
Er trägt nichts außer Zeit,
und diesen Blick,
als sei er gerade aus einem alten Film gestiegen,
in dem es keine Klimaanlagen gibt,
aber sehr viel Leidenschaft.

Er ruft:
Espresso doppio. Eiskalt serviert.
Und heute keine Philosophie – heute will ich nur schmecken.“
Ich nicke und grinse.
Und greife zum Glas.
Nicht irgendeins –
das eine, das seit Stunden im Kühlschrank wartet,
so kalt, dass es beim Anfassen knistert.
Ein Glas mit Stil. Gewicht. Haltung.
So eins, das Nein sagen kann.
Dann:
Zwei frische Espressi.
Schwarz. Stark.
Ohne Schaum, ohne Show.
Nur Geschmack.
Ich gieße sie direkt über die Eiswürfel –
nicht viele, nur die guten.
Die, die langsam schmelzen und nicht gleich aufgeben.
Einmal umrühren.
Nicht reden.
Ich stelle ihm das Glas hin,
als wäre es eine Einladung,
nicht zu denken.
Er setzt sich an den kleinen Tisch draußen,
Füße nackt auf den warmen Fliesen,
und trinkt langsam,
als wäre der Espresso eine Frau,
die man nicht gleich entkleidet,
sondern küsst.
Lange.
Zärtlich.
Dann taucht er auf.
Der Tourist.
Verbrannt, verschwitzt, Funktionskleidung in falscher Farbe,
Sandalen. Weiße Socken.
Er starrt auf sein Handy, flucht.
„Scheiß Wetter-App. Die hat drei Grad weniger angezeigt.“
Adriano schaut ihn an.
Dann auf seine Füße.
Dann wieder hoch.
Dann mich.
„Tedesco?“
Ich lache.
„Ja. Ein Mensch mit Wetter-App,
der nach Schatten sucht.
Und nach Glück.“
Der Tourist schaut irritiert.
Adriano trinkt aus,
steht auf,
streicht sich die Haare zurück
und ruft ihm im Vorbeigehen zu:
„Wenn du das Leben schmecken willst –
schmeiß die App weg.
Hör auf das Wetter kontrollieren zu wollen.
Oder das Leben. Nimm’s wie’s ist.
Und zieh verdammt nochmal die Socken aus.“
Er geht.
Barfuß.
Lebendig.
Ich bleibe zurück,
mit einem schmelzenden Eiswürfel
und der Ahnung,
dass 35 Grad genau richtig sind,
wenn du sie nicht bekämpfst –
sondern trinkst.
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