Du-musst-Allergie
- Giuseppe Vazzano
- 15. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Ich war neulich beim Arzt.
Weil ich immer wieder niese,
wenn ich mit Leuten rede.
Kein Scherz.
Da steh ich da, ganz harmlos –
ein Gespräch über „man müsste mal wieder“,
zack – hatschi!
„Wir sollten noch dringend…“ – hatschi!
„Ich hätte da eine Bitte…“ – hatschi!
Juckreiz. Nicht nur auf der Haut.
Sondern mitten im Leben.
Ich dachte, ich hab was Ernstes.
Irgendwas Immunologisches.
Allergietests. Blutbilder. Lungenfunktion.
Nix. Rein gar nix.
Und dann schaut mich der Arzt so an.
So ein älterer Typ,
halb müde, halb weise.
So wie ein Gandalf.
Kratzt sich am Kinn und sagt trocken:
„Giuseppe, du hast eine Du-musst-Allergie.“

Ich sag:
„Wie bitte?!“
Er nickt.
„Kommt bei Freigeistern vor. Harmlos. Aber sehr unangenehm.
Vor allem, wenn man ständig von Soll-, Muss- und Erwartungs-Menschen umgeben ist.“
Ich: „Gibt’s da was dagegen?“
Er: „Na klar. Wahrheit. Luft. Und ein Espresso.“
Und ich schwöre dir:
Ich hab diesen Espresso getrunken.
So einen richtigen. Kein Bürobrühwasser.
Einen mit Haltung. Mit Rückgrat.
Ein kleiner, heißer, schwarzer Mittelfinger.
Und dann bin ich raus,
hab in die Sonne geschaut
und zum ersten Mal seit Wochen
keinen einzigen Nieser gehabt.
Weißt du was?
Ich glaube, das Leben macht krank,
wenn wir zu lange funktionieren.
Wenn wir zu viel JA sagen, obwohl die Seele längst NEIN schreit.
Wenn wir unsere Tage mit „muss noch“ und „sollte mal“ zupflastern,
bis kein Platz mehr ist
für das, was eigentlich lebt.
Du-musst-Allergie.
Klingt witzig.
Ist es auch.
Aber nur, wenn du sie ernst nimmst.
Also.
Wenn du heute wieder das Gefühl hast,
du solltest, du müsstest, du dürftest nicht…
Dann atme.
Und sag’s ganz leise in dich hinein:
„Ich muss gar nix. Außer echt sein.“
Und dann:
Espresso.
Und Leben.
Grazie, dass du hier bist.
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